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Interessiert mich nicht die Bohne

Betriebsblindheit ist keine Ausrede Fragen Sie sich lieber: Was interessiert mein Publikum wirklich?

Eigentlich war es eine gescheite Idee: Digitale Fahrpläne in Bus und Bahn, die mir anzeigen, wo ich mich gerade befinde, wie die nächsten Haltestellen heißen und in wievielen Minuten ich dort ankomme. Weniger gescheit war jedoch die Idee, diese Anzeige flott noch zu einer betriebseigenen Werbefläche zu machen. Die Haltestellen werden einige Sekunden angezeigt, dann werden mir ausführlich Imagebilder der Stadtwerke Bonn präsentiert. Informationen, die mich dann, wenn ich dringend herausfinden will, wo ich eigentlich hin muss, herzlich wenig interessieren.

Von uns, für uns

Es zieht sich durch öffentliche Auftritte von Unternehmen, Organisationen oder Behörden gleichermaßen: Das “von uns, für uns”-Phänomen. Dabei steht nicht mehr der Informationsbedarf des Zielpublikums im Mittelpunkt. Nein, diese Medien wurden für den Chef, den Vorstand, die Kollegen oder ganz einfach sich selbst konzipiert.

Es zeigt sich in der überfrachteten Präsentation, in der es eigentlich darum geht, dem Vorgesetzten und den Kollegen mit vielen Worten, Zahlen und Schaubildern zu zeigen: Schaut her, das habe ich alles geschafft! 

Es zeigt sich im Internetauftritt, den Mitarbeiter erstellt haben, die so tief im eigenen Saft schmoren, dass sie nicht merken, dass niemand außer ihnen etwas mit den betriebsinternen Worthülsen anfangen kann. 

Und es zeigt sich in den mobilen Haltestellenanzeigen der Stadtwerke Bonn, in denen unbedingt noch die neue Imagekampagne Platz finden musste – einfach nur, weil es sie gibt und man stolz auf sie ist. Dass sie den Reisenden nicht die Bohne interessiert, bedenkt niemand.

“Von uns, für uns” eben.

Der Fluch des Wissens

Von einem gewissen Maß an Betriebsblindheit kann sich wohl niemand freisprechen, der mit Herzblut bei der Sache ist. Das ist der Fluch unseres eigenen Wissens, von dem wir uns nur schwer lösen können. Was aber an uns ist, ist das stete Bemühen, immer wieder in die Perspektive unseres Publikums zu schlüpfen und uns ganz ehrlich zu fragen “Und warum sollte das hier und jetzt jemanden interessieren?”

Leicht wird das nicht, seien Sie versichert. Es tut weh, erbarmungslos zu kürzen und rauszuschmeißen. Aber einer muss sich eben quälen: Entweder Sie oder Ihr Publikum.

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Dr. Kerstin Hoffmann: Verständlich kommt von Verstand

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Wenn ich zum Doktor gehe, dann rechne ich bereits damit, viele Fachbegriffe erst einmal nicht zu verstehen. Wenn ich allerdings den PR-Doktor auf seinem Blog besuche, dann ist das anders. Kompetent und verständlich schreibt hier Dr. Kerstin Hoffmann über Werbung, PR und Sprache.

Kerstin Hoffmann ist Kommunikationsberaterin und Text-Expertin und sorgt dafür, dass die Botschaften ihrer Kunden bei deren Kunden ankommen. Ihr Wissen teilt sie oft und gerne mit anderen und so finden sich auf ihrer Webseite u.a. ein Leitfaden für gute Werbetexte und das Handbuch Kundennutzen, wozu auch ich einen Artikel beigesteuert habe.

Ich habe die promovierte Germanistin und gelernte Journalistin gebeten, uns in verständlichen Worten zu erklären, wie man Anspruchsvolles in verständlichen Worten erklärt.
Verständlich kommt von Verstand: Wie Sie Anspruchsvolles lesbar verpacken Es ist erstaunlich: Manche Menschen sprechen im Alltag flüssig, verständlich und fesselnd. Sie können mit einfachen Worten zusammenfassen, was sie tun. Sie überzeugen mit prägnanten Formulierungen und sympathischem Wortwitz. Doch sobald sie schriftlich werden, verfallen sie in Nominalstil und erzeugen Wort-Dickichte, die man mit der Machete kaum durchdringen könnte.

Da werden „Umstellungen realisiert“ statt einfach etwas „umzustellen“. Da findet man einen “Antrag, die Bemessung der Absetzung für Abnutzung vorzunehmen” oder den “Zeitpunkt der Optionserklärung auf Berücksichtigung der fiktiven Anschaffungskosten”.

Fast noch erstaunlicher sind jedoch die Begründungen für solche Texte. Schlage ich vor, sie zu vereinfachen und Satz-Bandwürmer in einfache Substantiv-Verb-Konstruktionen aufzulösen, höre ich oft: „Unsere Leser sind anspruchsvolle Fachleute. Die erwarten auch eine anspruchsvolle Sprache.“ Das aber ist schlicht falsch.

Kompliziert ist nicht anspruchsvoll

Was leicht zu lesen ist, braucht ja deswegen nicht inhaltlich schlicht zu sein. Kompliziert ist nicht anspruchsvoll. Auch intelligente, gebildete Fachleute haben nur ein begrenztes Maß an Zeit und Geduld, sich durch kompliziert Verschachteltes oder langweilig Aufgereihtes hindurchzuarbeiten. Der perfekte Text ist genau so fachlich, wie die Zielgruppe es verstehen kann – und so leicht zu lesen, dass keine Aufmerksamkeit verbraucht wird, um Bezüge und Zusammenhänge zu entschlüsseln.

Natürlich hängen Textform und Sprache sehr stark von der Textgattung und vom Inhalt ab. Ein Werbetext kommt anders daher als eine Betriebsanleitung. Eine Doktorarbeit ist nicht geschrieben wie ein Kinderbuch. Mit allzu schlichten, kurzen Sätzen ist nicht jedem geholfen. Form, Inhalt und Vokabular sollten sich vor allem an den Lesern orientieren.

Texten wie am Mischpult

Schon in den 1970-er Jahren beschrieben Langer, Schulz von Thun und Tausch in ihrem Klassiker „Sich verständlich ausdrücken“, welche Faktoren für den Erfolg eines Textes beim Leser entscheiden. Ihr Modell ist auch heute noch überraschend modern und universell einsetzbar. Wie an einem Mischpult kann man nach diesem Modell die Parameter verschieben. So geht zum Beispiel eine allzu knappe Ausdrucksweise zu Lasten des Unterhaltungswert. Unter allzu viel abschweifendem Entertainment dagegen leiden die Prägnanz ebenso wie die Ordnung.

Gute Texte

Folgende Merkmale guter Texte habe ich vor einiger Zeit definiert. Gute Texte sind …

  • interessant. Sie machen den Leser neugierig und halten ihn im Lesefluss – bis zum Schluss.
  • nützlich. Der Leser erkennt seinen Nutzen auf den ersten Blick. (Das gilt auch für wissenschaftliche und rein informative Texte!)
  • überraschend. Sie verzichten auf Floskeln und formulieren frisch und neu.
  • verbal. Nominal-Konstruktionen wirken geschraubt und bleiben schlecht hängen.
  • aktiv. Passiv-Sätze wirken ausweichend, Aktiv-Sätze wirken dynamisch.
  • kurz und prägnant. Sie sagen mit wenigen Worten das Entscheidende, sind aber so ausführlich wie nötig.

Motivieren Sie Ihren Leser

Sie wollen, dass Ihr Text gelesen wird? Dann müssen Sie Ihren Leser motivieren. Mit sprachlichen und optischen Mitteln. Es gibt eine Reihe grundsätzlicher Merkmale, die darüber entscheiden, ob und wie aufmerksam ein Leser den Text weiterliest, wie positiv er dem Text gegenüber gestimmt ist und wie gut er die aufgenommenen Informationen behält, integriert und weiterverarbeitet.

So sollte ein guter Text aussehen:

  • flüssig geschrieben
  • übersichtlich gegliedert
  • inhaltlich dicht
  • bis zuletzt interessant: Am Schluss sollte möglichst noch ein „Highlight“ stehen, das im Gedächtnis bleibt.

Zwischenüberschriften machen neugierig, wie es weitergeht. Sie sorgen dafür, dass der Leser sich besser orientieren kann und das Gelesene im Gedächtnis behält. Überlegen Sie, wie viel Zeit Sie selbst haben, Texte gründlich zu lesen. Ihrer Zielgruppe wird es ähnlich gehen.

Sie werden häufig feststellen: Je interessanter der Leser für Sie ist – sprich: je erfolgreicher er ist – desto weniger Zeit hat er für Ihren Text. Jedes sprachliche Hindernis, jede Leerformel und jeder Satz, der nicht auf Anhieb verständlich ist, sind „Absprung-Schanzen“ für Ihren Leser. Sorgen Sie dafür, dass er Ihnen erhalten bleibt – bis zum Ende Ihrer Ausführungen.

Sonderfall: Identifikation durch gemeinsamen Code

Ehe Sie jetzt den nächsten Vortrag auf einem Mediziner-Kongress vollständig in Alltagssprache formulieren oder sämtliche Begriffe in einem Leitfaden für Ingenieure ins Deutsche übersetzen: Bedenken Sie bitte, dass das gemeinsame Vokabular einer bestimmten Fachgruppe auch identifikationsstiftend sein kann. Oft geht es darum sich abzugrenzen und als Gruppe zu definieren. Ganz gleich, wie Sie das persönlich bewerten: Es einfach zu missachten könnte für Sie selbst fatale Folgen haben und alles andere als zielführend sein.

Hinzu kommt: Bestimmte Fachausdrücke sind dann sinnvoll, wenn die Beteiligten genau wissen, was gemeint ist. Es gibt Hardliner, die wollen alles ins Deutsche übersetzen, so dass es jeder versteht. Wozu, wenn es gar nicht für jeden gedacht ist?

Doch gemeinsamer Code hin, Fachvokabular her: Auch solche Texte können gut lesbar sein. Wortbandwürmer und „Substantivitis“ sind hier ebenfalls fehl am Platze. Grundsätzlich gelten alle Regeln, die auch sonst für verständliche Texte wahr sind. 

Zwei Typen, die Sie nicht sein möchten

Typischer Bullshit: Ein Möbelverkäufer erklärt Ihnen die Vorzüge eines neuen Sofas:

Typischer Verkäufer

“Das können Sie mit [billigeres Modell] gar nicht vergleichen. Das hier ist Top-Leder, qualitativ hochwertig verarbeitet.”
“In welcher Hinsicht ist es denn hochwertiger?”
“Das ist Markenqualität, der Hersteller setzt natürlich nur modernste Verfahren ein.”
“Welche Verfahren sind das denn?”
“Die sind seit mehr als 30 Jahren erprobt. Wir hatten noch nie Beschwerden.”
“…”
Bullshit, der Mann hat keine Ahnung. Sie können beliebig lange nachhaken und werden doch nie erfahren, inwiefern das eine Sofa hochwertiger ist als das andere.

Typischer Fachidiot: Ihr Systemadministrator erklärt Ihnen eine neues Programm:

Typischer Systemadministrator

“Das ist ganz einfach. Sie gehen dann wieder zurück auf die erste Maske, da scrollen Sie ganz runter, dann klicken Sie hier, und hier auf “Einfügen”, das System checkt jetzt mit der Datenbank, ob Sie die Berechtigung haben. Bei der Sicherheitsfrage können Sie auf “Weiter” drücken, Sie können ja jederzeit mit “Escape” abbrechen, ohne dass was passiert. Jetzt tippen Sie hier und hier Ihre Änderungen ein. Danach klicken Sie nur noch hier auf OK, dann auf Freigeben anschließend noch mal OK und wenn Sie jetzt hier herunterscrollen und den Button drücken, dann war’s das auch schon. Ist eigentlich ganz einfach.”
“Aha. Und wenn ich jetzt in einem Datensatz etwas ändern muss?”
“…”
Fachidiot, der Mann hat zwar Ahnung, kann aber nicht so erklären, dass Sie ihn verstehen.

Beide Typen kennen Sie sicher auch aus Vorträgen. Der eine hat auf seinen Folien viele bunte Bildchen, lässt kein Klischee aus, aber Substanz suchen Sie vergebens. Der andere hat vollgeschriebene Folien, kommt vom Hölzchen auf’s Stöcken, lässt dabei kein Detail aus, aber am Ende wissen Sie immer noch nicht, was er Ihnen eigentlich sagen wollte.

Beiden würde helfen, nicht immer nur selbst zu reden, sondern umgekehrt auch einmal genau zuzuhören. Und sich anschließend zu fragen: “Versteht mich mein Gegenüber überhaupt? Welche Fragen hat er überhaupt? Wo liegen eigentlich seine Interessen?” Dann kann man gezielt an diesen Fragen arbeiten; technische Details nachlesen, nach einfachen Erklärungen suchen, vielleicht ein Diagramm malen, das leichter verständlich ist, als zehn Zeilen Text.

Die besten Vorträge sind keine Monologe, sondern Dialoge, in denen Sie auf Ihr Publikum eingehen, und Ihren Vortrag – notfalls auch während Sie ihn halten – immer wieder an dessen Bedürfnisse anpassen.

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scott

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[Vielen Dank an alle Tippgeber]

 

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Eine verständlichere Sprache könnte auch so mancher Vortrag gut gebrauchen. Gerade Experten neigen häufig dazu, ihre Vorträge mit viel zu vielen Fachausdrücken zu schmücken. Oft genug setzen sie auch ein viel zu hohes Vorwissen voraus, anstatt die Zuhörer bei ihrem tatsächlichen Stand abzuholen. Diese Experten sollten sich ein Beispiel an dem Projekt IDEMA nehmen. Einen Vortragenden, der nur für sich selbst redet, braucht nämlich kein Mensch.

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Dr. Michael Gerharz

Dr. Michael Gerharz