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Die Karte der Londoner U-Bahn

Als Harry Beck 1931 die erste schematische Karte der Londoner U-Bahn veröffentlichte, kam das einer Revolution gleich. Zugunsten der besseren Lesbarkeit verzichtete er auf geografische Korrektheit. Er zeichnete bewusst eine „falsche“ Karte, die aber leicht zu verstehen war. Falsch im Sinne der Geografie. Richtig im Sinne der Verständlichkeit.

In diesem kurzen Video erklärt Michael Bierut drei einfache Prinzipien, die Becks Lösung ermöglichten, und die ebenso nützlich in Präsentationssituationen sind:

1. Totaler Fokus auf die Bedürfnisse der Benutzer/Zuhörer.

Denn die müssen es verstehen. Also: Welche konkreten Bedürfnisse oder Probleme haben die Benutzer? Und wie können Sie Ihr Thema so darstellen, dass es möglichst gut auf genau diese Bedürfnisse eingeht.

2. Die einfachste mögliche Lösung anbieten.

Und nicht die allumfassende. So wie U-Bahn-Kunden sich nicht für die geografischen Details über der Erde interessieren, solange sie sich in einer Bahn unter der Erde befinden, ist es Ihren Zuhörern möglicherweise egal, sämtliche Details Ihrer Produktes zu kennen, so lange sie es z.B. nur anwenden und nicht nachbauen möchten.

3. Durch einen Blick über den Tellerrand Lösungen aus anderen Bereichen übertragen.

Als Ingenieur zeichnete Beck die Karte so, wie man sonst einen Schaltkreis zeichnet: Er zeichnete ein Diagramm statt einer Karte. Welche Bilder, Methoden oder Metaphern aus anderen Bereichen helfen Ihnen, Ihre Ideen verständlicher zu präsentieren?

Die lesbare Stadt

Beispiel eines Legible-London-Wegweisers

Seit einiger Zeit testet die Stadt London ein neues Leitsystem für Fußgänger. Das ehrgeizige Ziel: bis 2015 soll London die fußgängerfreundlichste Stadt der Welt werden. Was dort unter dem Schlagwort Legible London entwickelt wird, ist ein Musterbeispiel dafür, wie Kommunikation durch kleinste Details klarer wird. Hier kann man viel lernen – auch für Präsentationen.

Die Vorgeschichte

Die Stadt stellte fest, dass in London immer weniger Strecken zu Fuß zurückgelegt werden. Selbst für kürzeste Entfernungen wird die “Tube” genutzt – und zwar auch dann, wenn der Fußweg schneller wäre. Dazu trägt nicht unerheblich bei, dass der berühmte Plan der Londonder U-Bahn nicht nur bei seiner Einführung revolutionär war, sondern auch heute noch ein Vorzeigebeispiel übersichtlicher Darstellung ist – und laut Umfragen erste Wahl bei der Orientierung in London bleibt.

Fußgänger müssen sich in London mit 32 verschiedenen Leitsystemen zurecht finden.

Als Fußgänger dagegen muss man sich in einem Wust von nicht weniger als 32 verschiedenen Leitsystemen orientieren, und die sind bisweilen inkonsistent und daher verwirrend. Abhilfe schaffen soll ein neues einheitliches Leitsystem für London, das unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse optimal auf die Bedürfnisse von Fußgängern zugeschnitten ist. Die Lösung ist detailverliebt und gerade deswegen lehrreich.

Wie orientieren sich Fußgänger?

Das Projekt “Legible London” hat nicht einfach schickere Stadtpläne und Wegweiser designt, sondern zunächst einmal gründlich hinterfragt, welche Informationen Fußgänger eigentlich wann und in welcher Form brauchen (tun Sie das auch für Ihre Zielgruppe?). Offenbar benötigen wir nämlich in unterschiedlichen Phasen unterschiedliche Informationen. Je weiter wir uns einem Wegweiser nähern, desto genauer schauen wir hin:
In unterschiedlichen Entfernungen sind unterschiedliche Informationen interessant.
Legible London löst das so: Der “Walker”, eine gelbe Markierung am oberen Rand, kennzeichnet schon aus großer Entfernung jedes Hinweisschild. Große Schriften im oberen Teil geben Richtungsangaben zu wichtigen Punkten in der Umgebung, die man auch im Vorübergehen leicht erkennen kann. Darunter finden sich zwei Planungskarten, die Detailinformationen der unmittelbaren Umgebung enthalten. Interessantes Detail: Die Schilder sind so entworfen, dass die wichtigsten Informationen, Wegweiser zu nahen Sehenswürdigkeiten oder Straßen, oben angeordnet sind, so dass sie auch über eine Menschenmenge hinweg erkannt werden können.

Wie denken Fußgänger?

Schmaler Legible-London-Wegweiser

In der Schule lernen wir, dass Karten eingenordet sind. Für die Orientierung von Fußgängern hat es nach den Erkenntnissen von Legible London jedoch erhebliche Vorteile, wenn die Karten in Blickrichtung ausgerichtet sind. Auf diese Weise kann die Umgebung mit der Karte leichter in Einklang gebracht werden, so dass man sich als Fußgänger schneller und zuverlässiger orientiert.

Es lohnt sich offenbar, auch etablierte Verfahren immer wieder zu hinterfragen, wenn dadurch ein Ziel, in diesem Fall eine schnellere Orientierung, besser erreicht werden kann. Es ist eben nicht richtig, nur weil alle es tun. Anders ausgedrückt: Brauchen Ihre Folien wirklich so viel Text?

Entfernungen werden durch Zeitangaben verständlicher

Eine weitere Konvention bricht Legible London bewusst: praktisch alle Karten geben Entfernungen räumlich an, z.B. in Metern. Mittlerweile weiß man jedoch, dass Fußgänger sich mit Hilfe von Zeitangaben leichter orientieren. Die Detailkarten auf den Legible-London-Säulen zeigen daher Umkreise, die in 5 und in 15 Minuten bequem zu Fuß erreichbar sind. Anders ausgedrückt: Ihre Zuhörer wollen nicht nur Fakten, sondern auch wissen, was eine Information für sie bedeutet.

Gebäude werden in 3D dargestellt und mit nützlichen Zusatzinformationen versehen

Darüberhinaus unterstützen die Karten die Leser mit zahlreichen praktischen Details, damit Routen optimal geplant werden können. Bei wichtigen Sehenswürdigkeiten sind die Eingänge eingezeichnet, für Behinderte werden Treppen und Gehsteigbreiten gekennzeichnet und 3D-Repräsentationen der wichtigsten Gebäude helfen auch Menschen mit Leseschwäche, die Karten richtig zu nutzen. Anders ausgedrückt: Unterstützen Sie Ihre Zuhörer mit allen Ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten darin, Ihre Präsentation bestmöglich zu verstehen?

In komplexen Themen ist klare Kommunikation besonders wichtig. Und gerade in alltäglichen Situationen behindern alte Konventionen schon einmal bessere Lösungen, weil es eben “schon immer so gemacht wurde”. Die Neuentwicklung eines Leitsystems für die Weltmetropole London zeigt jedoch, dass eine rigorose Analyse der Bedürfnisse der Zielgruppe, hier der Fußgänger, den Blick für das Wesentliche schärft. So können pragmatische Lösungen gefunden werden, die mehr sind als schickes Design, sondern Informationen so aufbereiten, dass sie optimal verstanden werden.

Weitere Informationen
Die Homepage von Legible London enthält zahlreiche Hintergrundinformationen und weitere Beispiele.
Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift Typojournal enthält einen schönen Artikel zu dem Thema (und viele weitere interessante Artikel zum Thema Lesbarkeit). 

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Dr. Michael Gerharz

Dr. Michael Gerharz