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Unterhaltet euch

In dieser Kölner Kneipe soll man sich lieber unterhalten statt zu surfen. Daran sollte man sich auch in anderen Situationen erinnern.

„Nein! Wi-fi haben wir nicht. Unterhaltet euch“

So steht es am Eingang einer Kölner Kneipe. Ich wünschte, vor Meetingräumen stünde ein ähnliches Schild:

„Nein! Einen Beamer haben wir nicht. Unterhaltet euch“

Denn es ist doch so: Dieselben Menschen, die darüber lästern, dass die Jugendlichen nur noch auf ihre Handys starren und sich gar nicht mehr unterhalten können, starren im Meeting eine halbe Stunde auf eine Projektionsfläche und unterhalten sich gar nicht. Dabei sind Meetings dazu da, Meinungen auszutauschen, zu diskutieren, sich zu unterhalten. Meetings braucht man überhaupt nur dann, wenn es darum geht, sich in die Augen zu blicken, denn sonst könnte man es ja auch digital besprechen.

Und, wenn ich es mir so recht überlege, sollte man das Schild von der Kneipe direkt dazu stellen. Denn E-Mails schreiben und surfen während sich andere mit Ihnen unterhalten, ist auch nicht besser, als What’s-App-schreibende Jugendliche. Es ist nicht nur unhöflich, sondern ineffizient.

Aber, was rede ich. Früher war eh alles besser.

[Foto: Daniel Backhaus, mit Genehmigung]

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Man muss es gesehen haben, um es zu glauben

Was für ein überwältigendes Gefühl. Nach so vielen durchgearbeiteten Nächten, etlichen Rückschlägen und gegen die Überzeugung all’ Ihrer Kollegen haben Sie die Lösung gefunden. Jetzt endlich würden alle klar sehen, denn der Beweis liegt auf der Hand: der alte Produktionsprozess ist Schuld am hohen Ausschuss. Ihre – zugegeben radikalen – Ideen würden das beweisbar ändern.

Also bereiten Sie sich akribisch auf die Präsentation vor. Denn Sie wissen genau, dass eine solch radikale Veränderung nicht gerade auf Begeisterung stoßen wird. Und genau deswegen verzichten Sie auf PowerPoint und fertigen stattdessen ein Modell der Produktionsstraße an. So würde jeder mit eigenen Augen sehen können, dass gleich an zwei Stellen entscheidende Schwachstellen existieren.

„Wie Sie zweifellos wissen, sind wir seit einiger Zeit mit unserer Produktion in große Schwierigkeiten gekommen. Wir benutzen dafür ein sehr altes System, das uns zwar in der Vergangenheit gute Dienste geleistet hat, aber bei genauer Betrachtung leider nicht ganz so zu funktionieren scheint, wie wir das immer gedacht haben. Gewiss, unser Gründer selbst hat es erfunden und seit 30 Jahren setzen wir es beinahe unverändert ein, aber neue Materialien und höhere Durchsätze bringen das System über seine Grenzen. Wenn Sie möchten, dann zeige ich Ihnen das Problem an diesem Modell.“

„Vielen Dank. Ich fürchte, das alles ist nicht ganz so einfach. Bevor wir das Modell betrachten, möchten wir doch noch eine Diskussion anregen. Können solche Probleme überhaupt theoretisch auftreten?“

„Nun, ich dachte mir, Sie schauen es sich einfach an und überzeugen sich selbst.“

„Gewiss, gewiss. Aber es ist Ihnen natürlich bekannt, dass nach der Ansicht unseres Gründers eine Überlastung des Systems nicht möglich ist.“

„Ja.“

„Und viele Jahre hat es uns hervorragende Dienste geleistet. Es ist ein System von solcher Perfektion und Schönheit, dass wir wohl zögern sollten, diese Harmonie zu stören.“

„Warum schauen Sie sich nicht einfach das Modell an.“

„Nun, man könnte versucht sein zu antworten, dass Ihr Modell, etwas zeigend, was nicht sein kann, ein nicht sehr verlässliches Modell sein müsste, nicht?“

„Was meinen Sie damit?“

„Es wäre doch viel förderlicher, wenn Sie uns die Gründe nennen würden, die Sie zu der Annahme bewegen, dass unser bewährtes System an seine Grenzen gestoßen sein könnte.“

„Die Gründe? Wenn ein Blick auf das Modell und meine Proben das Phänomen eindeutig zeigen?”

„Wenn man sicher wäre, dass Sie sich nicht noch mehr erregten, könnte man sagen, dass, was in Ihrem Modell ist und was in unserem System ist, zweierlei sein kann.“

[Frei nach „Leben des Galilei“, Bertolt Brecht, wo Galilei in Szene 4 vergeblich versucht, die Gelehrten in Florenz dazu zu bewegen, durch sein Fernrohr zu blicken, um die neue Wahrheit des kopernikanischen Weltbilds mit eigenen Augen zu erkennen.]

Eine groteske Überspitzung, gewiss, aber dafür umso deutlicher. Das Problem: Rationalisten, die mit Logik zu begründen versuchen, was ihr Gefühl ihnen sagt, dabei aber von falschen Annahmen ausgehen und die Fakten ignorieren. Nicht Fakten, sondern Emotionen wären hier gefragt, um diese „Rationalisten“ zu überzeugen, dass ihre Annahmen falsch sind. An einem Weltbild rüttelt man nicht mit Fakten, erst recht nicht, wenn die Veränderungen vor allen Dingen erst einmal unbequem sind.

Das ist die Kunst einer überzeugenden Präsentation. Die richtige Ansprache für die Zielgruppe finden, nicht die naheliegendste. Und dazu muss man vor allen Dingen tief bohren, um herauszufinden, wie die Zielgruppe eigentlich tickt und wo der Schuh drückt.

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Dr. Michael Gerharz

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